Wie beurteilen Sie die aktuellen Regelungen für die Mindestsicherung/Sozialhilfe? Finden Sie eine Deckelung für Familien und die Bindung an das Sprachniveau B1 grundsätzlich gerechtfertigt?
Gerald Loacker, NEOS
Diese Frage vermischt mehrere Faktoren und ist in der gebotenen Kürze unbeantwortbar. Der Neuregelung der Sozialhilfe ist eine monatelange Debatte mit vielen Argumenten vorausgegangen. Meine Fraktion hat unter meiner fachlichen Führung als Sozialsprecher gegen das Gesetz gestimmt. Eine Reduktion der Geldleistungen für Familienmitglieder war notwendig. Wer arbeiten geht, bekommt Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag. Wer nicht arbeitet, bekommt das ebenfalls. Es sollte der Bezieher der Sozialhilfe nicht besser gestellt sein als der Erwerbstätige.
Die starre Anknüpfung an ein derart hohes Sprachniveau ist nicht sachgerecht. Das gilt besonders für Bundesländer, deren Dialekte weit von der Hochsprache abweichen. Wir haben in Vorarlberg gute Erfolge bei der Integration in den Arbeitsmarkt von Personen, die nur A1 oder A2-Niveau aufweisen. Ab einem gewissen Alter erlernt man auch Sprachen nicht mehr so leicht.
Reinhold Einwallner, SPÖ
Die Deckelung für Familien ist unsererseits eine Schlechterstellung von Kindern. Denn ab dem dritten Kind gibt es nur noch 45 Euro pro Monat. Damit kann man nicht einmal Windeln, geschweige denn Essen, für die Kinder kaufen. So viel zu den Aussagen, jedes Kind ist gleich viel wert.
Die Bindung an das Sprachniveau B1 ist zurückzuweisen. Hier wird Sozialpolitik mit Fremdenrecht vermischt. Zudem: Das Sprachniveau B1 braucht man für den Erwerb der Staatsbürgerschaft!
Fabienne Lackner, NEOS
NEOS hat gegen das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz gestimmt, weil es weder eine Vereinfachung für Bezieher_innen bringt, noch einen Abbau von Bürokratie, noch Transparenz im Sozialsystem und auch keine bundesweit einheitliche Leistung. Einige Bestimmungen, wie etwa der Ausschluss von subsidiär Schutzberechtigten und die Wartefrist für EU-Bürger_innen von fünf Jahren sind höchstwahrscheinlich verfassungswidrig. Der Nachweis von Sprachkenntnissen, und die daraus resultierende Kürzung der Mindestsicherung für Asylberechtigte ist aus unserer Sicht unzulässig und eine Diskriminierung. Die Intention von Türkis-Blau, durch die Sozialhilfe auch integrationspoltische und fremdenpolizeiliche Ziele zu verfolgen, ist definitiv zu hinterfragen. Auch die Staffelung der Leistungen für Kinder in dieser Form lehnen wir ab: NEOS setzt hier auf einen Ausbau von Sachleistungen, um echte Chancengerechtigkeit für Kinder zu ermöglichen: Kinderbetreuungs- und -bildungsangebote sollen als Sachleistung zur Verfügung gestellt werden, um für alle Kinder, ganz gleich des sozioökonomischen Hintergrunds beispielsweise den Besuch von Sportkursen, Nachhilfe oder Musikunterricht zu ermöglichen.
Nina Tomaselli & Sanel Dedic; Grüne
Die Vorarlberger Landesregierung und insbesondere die Grüne Landesrätin Katharina Wiesflecker hat sehr darum gekämpft, dass dies so nicht umgesetzt wird. Leider vergeblich. Wir Grüne haben uns immer klar gegen die Deckelung der Mindestsicherung ausgesprochen und darauf hingewiesen, dass dadurch besonders Kinder in Armut getrieben werden.
Die Bindung der Mindestsicherung an ein bestimmtes Sprachniveau halten wir für ungerecht. Die Mindestsicherung ist für uns eine Grundsicherung. Unabhängig von der Sprache ist der Bedarf für Wohnen, Lebensmittel und Lebensunterhalt immer gleich hoch. Dennoch braucht es Anreize zum Spracherwerb, vor allem das Angebot an Sprachkursen und Sprachbuddys muss ausgeweitet werden.
Norbert Sieber, ÖVP
Ja, die Mindestsicherung NEU trägt zu mehr Gerechtigkeit in unserem Land bei. Wer lange eingezahlt hat, bekommt auch mehr heraus und die ungehinderte Zuwanderung in das österreichische Sozialsystem wird gestoppt. Und die Leistungen kommen all jenen zu Gute, die sie tatsächlich benötigen. Entscheidend ist auch, dass Deutsch nun der Schlüssel zur Integration und zur Mindestsicherung ist. DieSozialhilfe soll die Bezieher außerdem darin unterstützen, wieder Fuß am Arbeitsmarkt zu fassen.
Wandel – Positionspapier Asylpolitik
Die Deckelung der Mindestsicherung/Sozialhilfe für Familien und die Kürzung von
Sozialhilfe aufgrund Nichterfüllung eines Sprachniveaus missachten die Grundbedürfnisse von Menschen, die ohnedies in extrem prekären Verhältnissen leben. Soziale Transferleistungen, die eine unterste Grenze darstellen, um in unserer Gesellschaft überleben zu können, dürfen nicht an Sprachkenntnisse gebunden sein.