Studie: Abgeschoben nach Afghanistan

Eine neue Studie der Afghanistan-Expertin Friederike Stahlmann hat untersucht, wie es Afghanen geht, die aus Deutschland  abgeschoben wurden. Ihr Fazit: Die Rückkehrer haben kaum eine Chance, in Afghanistan Fuß zu fassen, ihnen drohen Gewalt, Verelendung und Verfolgung.

Ihnen wird Verrat, Verwestlichung, unmoralisches Verhalten oder die Abkehr vom Islam vorgeworfen, was auch ihre Familien gefährdet. Dehalb fehlt den Rückkehrern vielfach das überlebenswichtige familiäre Netz. Von den 113 befragten Abgeschobenen konnte nur ein einziger eine existenzsichernde Arbeit finden, 75 % waren auf private Unterstützung aus dem Ausland angewiesen, 15 % waren obdachlos. Fast alle haben das Land bereits wieder verlassen oder wollen es verlassen, zwei haben sich das Leben genommen.

Die Auftraggeber der Studie – Diakonie Deutschland, Brot für die Welt und die Diakonie Hessen – fordern daher einen sofortigen Abschiebestopp nach Afghanistan. Mehr dazu, auch eine Kurzfassung und ein Interview mit der Autorin auf den Seiten der Diakonie Deutschland.

Ganze Studie: Erfahrungen und Perspektiven abgeschobener Afghanen (pdf, 3 MB)

„Hilfe vor Ort“?

Trotz schrecklicher Bilder von den Flüchtlingslagern auf Moria und anderen griechischen Inseln wehrt sich die ÖVP immer noch dagegen, schutzbedürftige Menschen von dort aufzunehmen. Es sei wichtiger, „Hilfe vor Ort“ zu leisten, wird immer wieder betont.

Nun gibt es sicher viele Orte, an denen Hilfe gebraucht wird. Doch wie sieht es mit dem Engagement tatsächlich aus?

Der Völkerrechtler Ralph Janik hat sich aus Anlass des Friedensnobelpreises für das World Food Programm die Beiträge dafür in einem Artikel genauer angesehen. Und stellt fest, dass Österreich sich dort hinter Burundi und der Republik Kongo auf Platz 44 befindet. „Elisabeth Köstinger betonte, dass ihr Ministerium „in diesem Jahr bereits 1,6 Millionen Euro dafür zur Verfügung gestellt“ hat (dass sie zeitgleich darauf verwies, für die Erweiterung des Elefantengeheges im Tiergarten Schönbrunn 23,5 Millionen aufzuwenden, kann man nur als unglückliche Kommunikation bezeichnen).“

MIt anderen UN-Organisationen sieht es nicht viel besser aus. Österreich hat 2020 seinen Beitrag für UNHCR deutlich erhöht: Auf 6,27 Mio $ pro Jahr – 2019 waren es noch 3,9 Mio $. Damit ist es allerdings immer noch weit hinten – auch im Vergleich mit anderen Ländern ähnlicher Größe und ähnlicher Wirtschaftsleistung. (Quelle: diesubstanz.at)

UNHCR - Beiträge 2020 pro Kopf

Bei der Weltgesundheitsorganisation WHO erreichte man 2018-2019 mit 877 000 $ nicht einmal die Million. Aus Deutschland erhielt die WHO in diesem Zeitraum Zahlungen in Höhe von 228,7 Millionen US-Dollar, von Schweden 36,3 und aus der Schweiz 23,5.

Schutzbedürftigen-Zähler

Immer auf dem Laufenden bleiben: Ärzte ohne Grenzen Österreich hat eine eigene Website eingerichtet, die dynamisch und immer aktuell eine wichtige Frage beantwortet: „Wieviele Schutzbedürftige hat Österreich aus den Lagern in Griechenland evakuiert?“ zur Antwort

Auf den Seiten von Ärzte ohne Grenzen gibt es immer auch Möglichkeiten sich zu engagieren.

Das unterstützen wir gerne – schon weil der Hashtag #menschbleiben so gut zu unserem Slogan Mensch.Bleib.Mensch passt.

Afghanistan: Tödlicher August

Im August 2019 gab es nach Recherchen der BBC in Afghanistan keinen Tag ohne Opfer des Konflikts. In diesem Monat war die Zahl der Toten dreimal höher als in Syrien oder Jemen (Quelle). Im Schnitt wurden jeden Tag 74 Menschen getötet.

Für diesen Bericht wurden nur Zahlen aufgenommen, die von mindestens zwei Quellen bestätigt wurden, bei variierenden Angaben (zB „10-12“) wurde die kleinere Zahl angenommen, um ganz sichere Daten zu bekommen. Die tatsächlichen Zahlen könnten daher noch um einiges höher sein.

Insgesamt gab es im August 3207 bestätigte Todesopfer. Der größte Teil davon waren Taliban (974), gefolgt von Regierungskräften (675) und Zivilisten (473). Die hohen Verluste der Taliban sind laut BBC überraschend, zumal diese so stark sind wie seit 2001 nicht mehr.
Dazu wurden 1948 Verletzte gezählt.

Auf dem Global Peace Index ist Afghanistan mittlerweile auf dem letzten Platz gelandet, 2017 war es nach Syrien noch das zweit-unsicherste Land der Welt.

Veranstaltung Flüchtlingsintegration – Unterlagen

Okay.zusammen leben hat am 13. Mai eine interessante Veranstaltung organisiert, die sich mit dem Verlauf der Integrationsprozesse geflüchteter Menschen beschäftigte. Expert*innen aus der Forschung und aus der Praxis haben sich unter anderem mit diesen Fragen beschäftigt:
Wie verlaufen Deutscherwerb und Arbeitsmarktintegration, und wie lässt sich der Stand im Frühjahr 2019 bewerten? Was wissen wir über die Gesundheit der Geflüchteten und welche Bedeutung könnte diese für die strukturelle Integration haben? Wie haben sich die Einstellungen und Haltungen der Bevölkerung zum Thema Integration und gegenüber Geflüchteten entwickelt? Welche Wirkung hat die Unterstützung von Freiwilligen auf Integrationsprozesse? Und wie hat sich das Freiwilligen-Engagement in den letzten Jahren verändert?

Informationen zu allen Vorträgen und weiterführende Literatur finden sich auf der Website von okay.zusammen leben. Sehr spannend sind zum Beispiel:
_ Anton Strini: Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen in Vorarlberg (pdf, 13,3 MB)
_ Judith Kohlenberger: Psychosoziale Gesundheit und Gesundheitszugang von Geflüchteten in Österreich (pdf, 914 kB)
_ Christian Glantschnigg: Einstellungen zu Zuwanderung und Flüchtlingen in Österreich (pdf, 878 kB)
_ Eva Grabherr: Der Stand des Freiwilligen-Engagements in der Flüchtlingsintegration in Vorarlberg (pdf, 382 kB)

Nur eines von vielen interessanten Fakten aus dem Vortrag von Christian Glantschnigg: Die Stimmung gegenüber Geflüchteten ist gemischt, aber längst nicht so negativ, wie man meinen könnte:

Afghanistan: Rekordzahlen an zivilen Opfern

Im Jahr 2018 wurden in Afghanistan 3804 Zivilistinnen und Zivilisten bei Konflikten getötet, 7189 wurden verletzt – das ist die höchste Zahl an zivilen Opfern, seit es systematische Zählungen gibt. Dies geht aus dem neuesten Bericht der UN-Mission UNAMA hervor, der vor kurzem veröffentlicht wurde (Ganzer Bericht)

Im Durchschnitt wurden somit täglich  mehr als zehn Zivilisten getötet und fast 20 verletzt. Fast ein Viertel der getöteten Zivilisten waren Kinder.
Die Zahl der getöteten Angehörigen von Armee und Polizei lag nach letzten öffentlichen Zahlen 2016 etwa doppelt so hoch und hat seither deutlich zugenommen, auch wenn die Verlustrate inzwischen nicht mehr veröffentlich wird.

In den vergangenen zehn Jahren seien damit insgesamt über 32.000 Zivilistinnen und Zivilisten getötet und rund 60.000 verletzt worden. Für 37 Prozent der zivilen Opfer macht der UN-Bericht die radikalislamischen Taliban verantwortlich, für ein Fünftel die Terrormiliz Islamischer Staat (IS). 24 Prozent der zivilen Opfer gehen auf Regierungstruppen und ihre Verbündeten zurück.
(via Thomas Ruttigs Blog Afghanistan Zhaghdablai)

Umso zynischer mutet es an, wenn jetzt die österreichischen Asylbehörden verstärkt die Aberkennung von Schutztiteln in die Wege leiten, weil ja im Herkunftsland keine Gefährdung mehr bestehe.

Asylforum 2017: Interessante Unterlagen

Das Asylforum 2017 der Agenda Asyl (asylkoordination, Diakonie, Integrationshaus, Volkshilfe, SOS Mitmensch) hat im November in Graz stattgefunden, mit einem spannenden und vielseitigen Programm.

Viele der Vortragsunterlagen können auf der Website herunterlgeladen werden und bieten auch im Rückblick interessante Informationen.

Die Veranstalter befürchten, dass die Schwierigkeiten, die Flüchtlinge beim Zugang zum Asylverfahren, der Aufnahme in Österreich und der Anerkennung ihres Schutzbedarfs zu überwinden haben, unter den derzeitigen politischen Verhältnissen in Österreich deutlich steigen werden. Bereits der Blick auf die jüngsten Entwicklungen der Rechtsprechung gibt derzeit wenig Anlass zu Optimismus. Es sind aber gerade Veranstaltungen wie das alljährliche Asylforum, die die Zusammenarbeit der NGOs in Österreich stärken. Wir können Wissen austauschen, Ressourcen bündeln und uns gegenseitig dabei bestärken, dass der Einsatz für den Schutz von Flüchtlingsrechten auch dem Schutz von Menschenrechten dient.

Gefährliches Afghanistan: Neue Berichte

In der letzten Zeit häufen sich Medienberichte über Gewalttaten in Afghanistan, vor allem durch Anschläge von Taliban und IS. Allein in Kabul fanden 2017 über 30 große Anschläge mit mehr als 500 Toten statt.

Die Zunahme der Gewalt in den letzten Jahren zeigt sich auch an der Anzahl der Vertriebenen innerhalb des Landes, die von den UN-Organisationen dokumentiert wurde:

Grafik: Binnenvertriebene in Afghanistan, 2010 - 2017

Binnenvertriebene in Afghanistan, Quellen: UNAMA / UNHCR / UNOCHA; via proasyl.de

Nach dem Global Peace Index (pdf, 7,9 MB) war Afghanistan 2017 das zweitunsicherste Land der Erde, nur Syrien wurde als noch gefährlicher eingestuft. Der Global Terrorism Index 2017 (pdf, 5,6 MB) reiht – wie im Vorjahr – Afghanistan auf Platz 2 nach dem Irak.

Das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (European Asylum Support Office, EASO), das für die EU-Länder Informationen zu Herkunftsländern sammelt und aufbereitet, hat im Dezember 2017 zwei umfangreiche Berichte zur Sicherheitslage veröffentlicht:
Afghanistan Security Situation“ (pdf, 11,1 MB) stellt auf 356 Seiten die allgemeine Lage dar; der Bericht „Afghanistan. Individuals targeted by armed actors in the conflict“ (pdf, 2,9 MB) befasst sich mit der gezielten Bedrohung einzelner Personen und Gruppen durch die bewaffneten Akteure.
Beide Berichte sollten wichtige Grundlagen für Entscheidungen in den Asylverfahren darstellen.